Szenenwechsel: Während ich in einem trostlosen Vorortsbahnhof auf den nächsten Zug warte, lese ich auf einem Plakat: «Was ich will, wann ich will, wo ich will!» Geworben wird für eine Mobiltelefongesellschaft. Die Immer-alles-überall-subito-Mentalität zieht offenbar. Sie suggeriert Wohlstand, Freiheit und Glück. Wer wünscht sich da nicht König zu sein? «Eifach go shoppe, wänn’s mer grad passt und was mer passt!» Liquid wäre ich immer dank der Kreditkarte meines Königreiches. Traumhaft!
Was, nur ein Traum? Wie schade! Wer findet den Zauberspruch, der diesen Traum Realität werden lässt? Natürlich die FDP mit ihrer Volksinitiative «Der Kunde ist König». Sie verlangt die Abschaffung der Ladenschlusszeiten im Kanton Zürich, auf dass alle Kundinnen und Kunden, wie Königinnen und Könige, wann immer sie wollen, was immer sie wollen, kaufen können. Vor kurzem hat der Kantonsrat über diesen Zauber diskutiert. Es war eine lebhafte und lange Debatte: Die bürgerlichen Politikerinnen und Politiker konnten die grossen Freiheiten der Könige nicht genug loben und preisen. Warum, so fragten Sie, sollen nicht alle Einwohnerinnen und Einwohner des Standes Zürich das Recht haben, Königinnen und Könige zu sein? Und was für die Bürgerinnen und Bürger gut ist, kann doch auch dem Markt nicht vorenthalten werden, fuhren sie fort. Der Markt wird dann sehr zufrieden sein, alles mit unsichtbarer freier Hand zum Besten regeln.
Die christlichen Fraktionen blieben skeptisch. Sie fürchteten die leeren Bänke in ihren Kirchen und sahen es schon kommen, dass sie zum Schluss auch ihre Kirchen dem freien Markt überlassen müssen. Auch die Linke und die Gewerkschaften wollten dem FDP-Zauber partout nicht erliegen. Denn, was sollen Linke und Gewerkschaften, wenn es keine armen ausgebeuteten Untertanen mehr gäbe, die ihren Kampf für Wohlstand für alle legitimierten. So kam es, dass die FDP keine Mehrheit für ihren Zauber finden konnte. Nun ist er aus der schöne Traum! Fragt sich nur, wann der nächste Zauber kommt.