Ein Atommüll-Lager ist keine Zuckerrübenfabrik

Die Stu­die über die ge­sell­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Fol­gen eines Atom­müll-Tie­fen­la­gers des Bun­des­am­tes für Ener­gie sagt nur Ba­na­les aus. In Bern wird nicht gehört, was re­gio­nal ge­for­dert wird. Das Par­ti­zi­pa­ti­ons­ver­fah­ren wird so zur Far­ce.

Das Bun­des­amt für Ener­gie (BfE) hat diese Woche die Stu­die über die ge­sell­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Fol­gen eines Atom­müll-Tie­fen­la­gers auf die ver­schie­de­nen po­ten­ti­el­len Stand­orte ver­öf­fent­licht (SöW-Stu­die). Die Un­ter­su­chung kommt zwar in wis­sen­schaft­li­chem Ge­wand da­her, bringt aber keine re­le­van­ten Er­kennt­nis­se.

  1. Die wirk­lich be­deut­sa­men Fra­gen wer­den be­wusst und ge­zielt aus­ge­klam­mert. Die Stu­die be­han­delt das Tie­fen­la­ger wie eine grosse Zuckerrü­ben­fa­brik und nicht wie eine Ato­man­la­ge. Die Aus­wir­kun­gen auf das Image der be­trof­fe­nen Re­gion, die Ängste und Sor­gen der Men­schen, die de­mo­gra­fi­schen Fol­gen, die aus­blei­ben­den In­ves­ti­tio­nen, die Kon­se­quen­zen für Im­mo­bi­lien- und Bo­den­preise durf­ten von den Au­to­ren nicht un­ter­sucht wer­den.
  2. Das BfE hat die SöW-Stu­die wider bes­se­res Wis­sen so kon­zi­piert. Die Fach­grup­pen in den Re­gio­nal­kon­fe­ren­zen haben Kon­zept und Me­tho­dik von allem An­fang an fun­da­men­tal kri­ti­siert – ohne in Bern Gehör zu fin­den. Die re­gio­nale Mit­wir­kung wird damit in einem zen­tra­len Punkt aus­ge­he­belt und ent­wer­tet.
  3. Die Er­geb­nisse der Stu­die sind ba­nal: Dass die Bau­wirt­schaft von der Er­stel­lung eines Tie­fen­la­gers pro­fi­tie­ren wird, dass Land­wirt­schaft und Tou­ris­mus ten­den­zi­ell eher ne­ga­tiv be­trof­fen sind, liegt auf der Hand – dafür hätte es keine teure SöW-Stu­die ge­braucht. Das gleicht gilt auch für die Fest­stel­lung, dass die ne­ga­ti­ven Ef­fekte auch von der Dichte der Be­sie­de­lung und von der Sicht­bar­keit der Ober­flächen­an­lage ab­hän­gen. Davon sind die Re­gio­nal­kon­fe­ren­zen schon bei ihren Vor­schlä­gen für die Plat­zie­rung der Ober­flächen­an­la­gen aus­ge­gan­gen.
  4. Die Folge der ein­sei­tig und falsch kon­zi­pier­ten Stu­die ist ab­seh­bar: Die ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen eines Tie­fen­la­gers wer­den ver­harm­lost, die be­haup­te­ten po­si­ti­ven Ef­fekte über­höht. Man merkt die Ab­sicht und ist ver­stimmt: Of­fen­sicht­lich sol­len die Kom­pen­sa­ti­ons- und Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen, über die oh­ne­hin erst sehr viel später ent­schie­den wer­den soll, mög­lichst tief an­ge­setzt wer­den.
  5. Die Stu­die lenkt ein­mal mehr vom We­sent­li­chen ab: Ein­zig aus­schlag­ge­ben­des Kri­te­rium für den Stand­ortent­scheid muss die Si­cher­heit sein. Ein Tie­fen­la­ger darf nur dort ge­baut wer­den, wo der für Jahr­tau­sende hoch ge­fähr­li­che Atom­müll ab­so­lut und re­la­tiv am si­chers­ten ein­ge­la­gert wer­den kann. Ent­schei­dend ist dafür zum einen die Be­schaf­fen­heit des geo­lo­gi­schen Un­ter­grunds, an­de­rer­seits eine mög­lichst si­chere bau­li­che Ge­stal­tung der Ver­bin­dung zwi­schen der Ober­fläche und dem Tie­fen­la­ger. Zu die­sen ent­schei­den­den Fra­gen lie­fert die SöW-Stu­die kei­ner­lei neue Er­kennt­nisse – im Ge­gen­teil.

Die SöW-Stu­die ist so, wie sie ak­tu­ell daher kommt, kein Bei­trag zur Ver­trau­ens­bil­dung ge­genü­ber dem Sach­plan­ver­fah­ren. Sie nimmt die re­gio­nale Par­ti­zi­pa­tion nicht ernst und bestätigt ein­mal mehr: Das Ross wird am Schwanz auf­ge­zäumt – statt sich ernst­haft mit den Si­cher­heits­a­spek­ten aus­ein­an­der zu set­zen, sol­len die be­trof­fe­nen Re­gio­nen of­fen­bar mit Ne­bensäch­lich­kei­ten be­schäf­tigt wer­den. Das Sach­plan­ver­fah­ren kann nur ge­ret­tet wer­den, wenn die grundsätz­li­che Kri­tik an der SöW-Stu­die, wie sie in den Re­gio­nal­kon­fe­ren­zen immer und immer wie­der geäus­sert wur­de, in Bern end­lich ernst ge­nom­men wird.

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