Haltung zeigen

«Bei den Reichen lernt man das Sparen und das Jammern.» Dieser Spruch meiner Grossmutter kam mir in den Sinn, als ich kürzlich an einem Treffen von Vertreterinnen und Vertretern zahlreicher Gemeinden teilgenommen habe. Da hat sich der Präsident einer Tiefsteuergemeinde ausgiebig über zu hohe Zahlungen in den Finanzausgleich und zu hohe Ausgaben für den Asylbereich beklagt.

Während etliche seiner Gschpänli ihm beim Finanzausgleich die Gefolgschaft verweigerten (es gibt eben auch Nehmergemeinden) haben viele bei der Asylpolitik sofort eingestimmt: Es sei wahrlich eine Zumutung, was der Kanton von den Gemeinden verlange, und was das koste – und überhaupt: Man müsse endlich die Schraube anziehen, sonst habe man am Ende noch deutsche oder gar französische Zustände.

Es sind solche Momente, in denen mir bewusst wird, wie stark die Haltung von einzelnen Behördenmitgliedern Einfluss auf die konkrete Politik hat – gerade und auch auf kommunaler Ebene. Es geht dabei nicht nur um die parteipolitische Haltung, sondern fast noch stärker um die persönliche Haltung. Statt dass die schwierige weltpolitische Lage berücksichtigt wird, wird über das lokale Kleinklein diskutiert. Statt dass das insgesamt gut funktionierende Zürcher Asylwesen gewürdigt wird, wird über die zusätzliche Aufnahme von Asylsuchenden lamentiert. Statt dass der hohe Wohlstand und die vergleichsweise hohe Finanzkraft zahlreicher Gemeinden anerkannt werden, wird über grosse Belastungen und Zahlungen gejammert. Und dies alles, bevor die Damen und Herren nach ein paar Lachshäppchen in ihrem grossen Chlapf zurück in ihr Einfamilienhaus brausen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich gönne allen ihr Auto und ihr Haus. Und die Häppchen sowieso. Befremdend finde ich aber, wenn der Horizont von Behördenmitgliedern nur bis ans Bahngleis der eigenen Gemeinde reicht. Bedenklich finde ich, wenn diejenigen, die in der Theorie den Föderalismus und die Gemeindeautonomie hochhalten, sich in der Praxis daran stören, dass das Asylwesen eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Kantonen und Gemeinden ist und ihren Handlungsspielraum nur widerwillig nutzen, um Unterbringungsplätze und Begleitmassnahmen zu organisieren. Natürlich: Die aktuelle Kontingentsaufstockung ist anspruchsvoll und die Bewältigung der Flüchtlingskrise eine grosse Herausforderung. Aber das ist es für alle: Für ärmere und stärker betroffene Länder noch weitaus mehr als für uns.

Was es in solchen Situationen braucht, sind Politikerinnen und Politiker, die auch auf kommunaler Ebene, wo die Politik für die Bevölkerung am Sichtbarsten und Greifbarsten ist, Verantwortung übernehmen: Die das grosse Ganze im Blick haben. Die die gestellten Aufgaben anpacken. Die Befürchtungen und Sorgen ernst nehmen, nicht aber Ängste schüren. Die nicht ständig über das Geld reden, sondern das tun, was notwendig ist – und was wir uns auch leisten können. Kurz und bündig: Die Haltung zeigen. Und weil bald Weihnachten ist: Ich wünsche mir noch mehr davon.

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