Hindernisfreiheit – von Wenigen erkämpft, von Allen genutzt

«Wegen den Behinderten» muss die Öffentlichkeit allerhand anpassen wie z.B. den öffentlichen Verkehr, im Hoch- und Tiefbau, in der Bildung u.v.m. Doch dem gehen oft langwierige Auseinandersetzungen voraus, so zum Beispiel beim Niederflur-Tram «Cobra» in der Stadt Zürich.

Dass Mobilitätsbehinderte wie alle anderen Leute Tram fahren wollen, war für viele unbegreiflich und sogar anmassend. Man fand schliesslich, es genüge vollauf, nur einen Wagen pro Tram «rollstuhlgängig» einzurichten. Hingegen die Erhöhung der gesamten Tramkantenhöhe auf 50cm an den Haltestellen war «to much», und darum finden wir nun vielerorts eine lediglich auf drei bis fünf Meter Länge erhöhte Stelle vor, das sogenannte «Kissen». Wenn die Tramführerin das Cobra präzise dort anhält, können Rollstuhlfahrende durch die Türe Drei selbständig ein- und aussteigen.

Seit einigen Monaten kann ich damit rechnen, dass ich auf gewissen Strecken jedes zweite Tram und einzelne Haltestellen benutzen kann. Aber oft muss ich schon vor dem Einsteigen kapitulieren, weil auf dem Kissen mindestens eine Person mit einem überdimensionierten, vollbepackten Kinderwagen steht, die ebenfalls niederflurig einsteigen will. Wenn das Tram einfährt, werde ich von links und rechts noch von weiteren Kinderwagen stossenden, Rollköfferchen ziehenden und Sportgeräte oder Kontrabass schleppenden Menschen überholt, die mit entnervtem «Ich-muss-verdammt-nochmal-in-dieses-Tram-rein»-Blick den freien Raum im Steh-Wagen einnehmen. Zu Stosszeiten ist dieser Wagen hoffnungslos überfüllt mit ineinander verkeilten Kinderwagen und haufenweise Taschen, Füssen und Beinen, deren BesitzerInnen so in ihre Gratiszeitungen vertieft sind, dass sie keine Rollstuhlfahrenden wahrnehmen, für die der Wagen ursprünglich eigentlich gedacht war.

Immer, wenn wir hindernisfreien Zugang fordern, müssen wir uns zuerst heftige Lamentos darüber anhören, dass man wegen uns (wenigen) Behinderten ständig so viel Geld ausgeben und aufwendige Infrastruktur bereitstellen müsse. Wir treffen auf kategorische Abwehrhaltung und häufig bleiben uns lächerliche bis schmerzhafte Kompromisse, nur das «Minimum» eben. Doch kaum sind Rampen, Lifte, niederflurige Einstiege und hindernisfreie Räume vorhanden, müssen wir zuschauen, wie Creti und Pleti ohne Behinderung die (offensichtlich eben doch) äusserst attraktive Infrastruktur in aller Selbstverständlichkeit für sich beansprucht.

Warum gesteht ihr euch nicht von Anfang an ein, dass auch ihr es hindernisfrei am liebsten mögt und es nicht nur «für die Behinderten», sondern für Alle viel besser wäre?

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