Wenn die SP von Rekrutierung von Arbeitskräften spricht, dann hat sie Max Frischs Aussage „wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen“ auch Jahrzehnte später nicht verstanden. Eine grundlegende Kritik am Konstrukt Nationalstaat fehlt – wer keinen Pass hat, muss mit Bevormundung leben. Dabei ist es doch das Ziel der SP, Ungleichheiten zu bekämpfen und allen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Das geht aber nur, wenn Migrantinnen und Migranten als selbstständige Menschen gesehen werden, denen man nicht helfen, sondern deren Anspruch auf Gleichheit vor Gesetz und in der Gesellschaft erkämpft werden muss.
Dass Migration in erster Linie aus ökonomischer Sicht erörtert wird, macht Sinn – dann muss aber auch die Antwort eine ökonomische sein, die über flankierende Massnahmen plus hinausgehen. Sie muss eine umfassende Umverteilung fordern, denn die Konfliktlinie verläuft nicht entlang von Nationalitäten, sondern von arm und reich. In der Asyl-Politik erleidet der SP-Vorschlag vollständig Schiffbruch, weil er die zynische, bürgerliche Flüchtlingsdefinition übernimmt. Indem er an einer Unterscheidung zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und echten Flüchtlingen festhält, negiert er indirekt die soziale Ungerechtigkeit dieser Welt, an der die Schweiz mitverantwortlich ist. Auch Armut ist ein legitimer Migrationsgrund.
Mit dem vorliegenden Entwurf ist die SP von ihrem Kurs abgekommen. Es liegt an uns, das Ruder in der Migrationspolitik herumzureissen und auf eine Einwanderungspolitik zuzusteuern, die das Prädikat sozialdemokratisch verdient: Dafür braucht es Visionen, die auf Basis sozialdemokratischer Grundwerte fundamentale Veränderungen einfordern – zugunsten aller.