Liebe Genossinnen und Genossen
Auf den Tag genau heute vor einem Monat, da passierten zwei Dinge, die für mich persönlich wichtig waren: erstens wurde das Communiqué der SP zu den Präsenzpflichten in den Notunterkünften verschickt und zweitens, für euch vielleicht weniger interessant, begannen meine Ferien. Das Communiqué hat einiges – auch Ungewolltes – ausgelöst. Die Medien haben darüber berichtet: Knatsch in der SP ist schliesslich immer eine gute Schlagzeile.
Wer mich kennt, weiss, dass ich gerne Klartext rede. Eine wichtige Vordenkerin hat mal gesagt: die revolutionärste Tat bestehe darin, zu sagen, was ist. Darum möchte ich euch gerne aus erster Hand informieren.
Heute vor einem Monat hat sich die Mehrheit der Geschäftsleitung dafür ausgesprochen, die weiteren Verschärfungen im Asylbereich im Kanton Zürich auch öffentlich zu kritisieren. Weil eine klare Mehrheit der Basis die Resolution «Bewegungsfreiheit für abgewiesene Asylsuchende im Kanton Zürich» angenommen, also ihr hier im Saal euch gegen eine zu restriktive Asyl- und Migrationspolitik ausgesprochen hattet. Diesem Entscheid haben wir nicht mehr und nicht weniger als Nachachtung verschafft.
Dieser Entscheid steht in einer langjährigen Tradition unserer Partei: dem liberalen Umgang mit schwierigen Lebenssituationen. Diese Tradition basiert auf der Erkenntniss, dass Zwangsmassnahmen und ein allzu repressiver Umgang mit Menschen keine Probleme lösen, sondern sie vielmehr noch verschärfen. Und es ist auch in unserer Partei seit Jahrzehnten klar, dass Migration nicht einfach ein- und ausgeschaltet werden kann, wie ein Wasserleitungssystem. Menschen sind unterwegs und können nicht auf Objekte reduziert werden, wie sie etwa in Asylstatistiken gezählt werden.
Die SP hat als langjährige Regierungspartei in ihrer Geschichte auch ein Bewusstsein dafür, dass es in der Politik unterschiedliche Rollen gibt. Es gab und gibt immer wieder Differenzen mit Exekutivmitgliedern. Diese Differenzen soll man thematisieren und ausdiskutieren. Wichtig dabei ist, dass es eine faire und sachliche Auseinandersetzung ist, und dass nicht auf den Mann oder die Frau gespielt wird. Und dass sich alle Beteiligten dieser Diskussion stellen. Eine offene Debattenkultur unter uns und damit auch mit unseren RegierungsrätInnen ist ein Zeichen der Stärke, nicht der Schwäche – auch wenn die Medien es gerne anders auslegen. Davon lassen wir uns doch nicht aus dem Konzept bringen! Wir sind eine breite Partei mit grosser Meinungsvielfalt. Diese Vielfalt ist unsere Stärke.
An die Genossinnen und Genossen, deren Arbeit nicht im Rampenlicht steht: vielen herzlichen Dank!
Die Geschäftsleitung bedauert den Rücktritt von Daniel Frei. Ich danke Daniel auch an dieser Stelle für seinen unermüdlichen Einsatz. Unter der Präsidentschaft von Daniel hat die SP viel erreicht: einen Ständeratssitz, ein sehr gutes Wahlergebnis bei den nationalen Wahlen, bei denen es in den anderen Kantonen zum Rechtsrutsch kam, Mitgliederwachstum und vor gut einem Monat den Sieg über die USR III. Es ist mir aber hier auch wichtig zu sagen: einige von uns wurden immer wieder gewürdigt für den Erfolg in der SP. Aber noch viel öfter waren es Genossinnen und Genossen, deren Arbeit nicht im Rampenlicht steht. Euch möchte ich an dieser Stelle einmal mehr herzlich danken.
Heute in zwei Monaten und zwei Tagen (für die Spitzfindigen unter uns), wählen wir das neue Präsidium. Es freut mich sehr, dass wir dafür eine starke Findungskommission einsetzen konnten. Dir liebe Priska danke, dass du die Findungskommission präsidierst und euch, liebe Gabriela, liebe Andrea, lieber Daniel, lieber Andreas und lieber Markus, danke ich, dass ihr eure Erfahrung und euer Fingerspitzengefühl einfliessen lasst.
Danke auch an Moritz Spillmann und Daniel Jositsch für den Antrag, in welchem ihr anregt, dass die letzten Wochen analysiert werden und die Erkenntnisse bei der Präsidiumswahl und in die zukünftige Arbeit unserer Partei einfliessen.
Unsere Aufgabe muss es sein, immer und immer wieder auf die grundlegenden Widersprüche hinzuweisen.
Ich komme zum Schluss: «Links zu sein heisst, eine Horizontalwahrnehmung zu haben. Die Welt als Ganzes zu sehen», sagte mal ein französischer Philosoph. Es hängt eben schon alles zusammen. Es weht ein recht heftiger Wind in und um Europa.
Trump wurde zum Präsidenten der USA gewählt und Anfang Jahr vereidigt. Ich musste meine morgendliche Angewohnheit, als erstes das Radio einzuschalten, für eine Zeit aussetzen – der Start in den Tag war alles andere als erfreulich. Donald Trump wurde auch von vielen Leuten mit prekären Jobs gewählt – obwohl er nicht zuletzt auf Kosten dieser Leute sein Geld gemacht hat. Und er macht jetzt eine Politik, die genau diesen Leuten schadet und den Reichen nützen wird. Ähnliches kann für Christoph Blocher in der Schweiz gesagt werden. Die rechtspopulistischen Leader gehören oft zu einer äusserst wohlhabenden Unternehmerschicht: Trump, Berlusconi, Blocher und wie sie alle heissen. Unsere Aufgabe muss es sein, immer und immer wieder auf diese grundlegenden Wiedersprüche hinzuweisen.
Trotz der schwierigen internationalen Situation haben es aber Parteien in Einklang mit verschiedenen neuen Bewegungen geschafft, grösseres Übel zu verhindern: in den Niederlanden wurde letzte Woche entgegen anderslautenden Befürchtungen kein Rechtspopulist gewählt. In Deutschland gibt es mit Martin Schulz’ Kanzlerkandidatur eine Gegenmacht zum Rechtspopulismus. Und diesen Samstag gingen über 10’000 Menschen in Zürich auf die Strasse und setzten ein Zeichen gegen Sexismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen Ausbeutung.
Wenn sich die Rechtspopulisten von ihrer übelsten Seite zeigen, dann zeigen wir uns von unserer besten Seite. Ihre Politik ist die der Angst, unsere die der Hoffnung.
Und wenn wir die Ergebnisse der SP bei den verschiedenen kantonalen Wahlen anschauen: im Aargau, in Basel und zuletzt im Kanton Solothurn legten wir entscheidend zu. Das gibt Hoffnung. Wir sind im Aufwind – aber wir können noch mehr! Gemeinsam werden wir das schaffen – der nächste Test werden die kommunalen Wahlen 2018 sein.
Wenn sich die Rechtspopulisten von ihrer übelsten Seite zeigen, dann zeigen wir uns von unserer besten Seite. Ihre Politik ist die der Angst, unsere die der Hoffnung. Packen wir es an!
(Es gilt das gesprochene Wort.)