Geht die Entwicklung so weiter wie bisher, gehen uns in zwei Wochen die Intensivbetten aus und Ärzt*innen müssen entscheiden, wer noch beatmet werden kann und wer nicht mehr. Die Zeit für Debatten um Zuständigkeiten ist nun endgültig vorbei. Bund und Kantone müssen nun endlich zusammen mit ihren Expert*innen griffige Massnahmen ergreifen, um diesen worst case noch abzuwenden – wenn nötig bis hin zu einem Circuit Breaker.
Um der Bevölkerung möglichst bald möglichst viele Freiheiten zurückgeben zu können, braucht es zudem einen massiven Ausbau der Testing- und Tracing-Kapazitäten. Lange Schlangen vor den Testcentern, eine Positivitätsrate jenseits der 20 Prozent und die offensichtliche Überforderung der Contact-Tracing-Teams machen deutlich, dass der Aufholbedarf gewaltig ist. Und die Zeit drängt.
Wirtschaftliche Massnahmen: Akzeptanz schaffen und Existenzen sichern
Damit die nun nötigen einschneidenden Massnahmen von der Bevölkerung mitgetragen werden, braucht es entsprechende Begleitmassnahmen, welche die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen abfedern. Denn die Akzeptanz der Schutzmassnahmen steht und fällt mit den wirtschaftlichen Abfederungsmassnahmen. Ohne Begleitmassnahmen setzen wir die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen aufs Spiel.
Um die Kulturbranche zu schützen muss der Kanton die im Rahmen des eidgenössischen Covid-19-Gesetzes zur Verfügung gestellten Gelder voll ausschöpfen. Wenn nötig, kann und soll er in Eigeninitiative auch darüber hinaus Geld in die Hand nehmen. Da die Nothilfe für Kulturschaffende von deren steuerbarem Einkommen abhängt, welches oft bereits sehr tief ist, braucht es für sie zudem Härtefalllösungen. Hier sind die Städte und Gemeinden gefordert.
Nicht zuletzt deshalb ist es entscheidend, die Gemeinden handlungsfähig zu halten – auch falls Gemeindeversammlungen aufgrund der Pandemie nicht mehr durchgeführt werden können. Hier braucht es eine kantonale Lösung, welche es auch den Gemeinden ohne Parlament erlaubt, ihren Budgetprozess ordentlich weiterzuführen, so dass sie den nötigen Handlungsspielraum haben, um wirtschaftliche Notlagen in ihren Gemeinden schnell und unbürokratisch abfedern zu können.
Betroffen ist auch der Sport. Der Kanton muss insbesondere den Breitensport unterstützen. Wie bereits bei der ersten Welle kann er dafür Mittel aus dem Lotteriefonds verwenden – und diese wenn nötig aufstocken. Für den Profisport und die nationalen Ligen braucht es eine nationale Lösung.
Schon länger bis zum Hals steht das Wasser den Restaurants, Bars und Clubs. Ist deren Betrieb aufgrund der nötigen Einschränkungen nicht mehr profitabel zu bewerkstelligen – und die zahlreichen “freiwilligen” Betriebsschliessungen der letzten Tage und Wochen zeigen, dass das Problem akut ist -, muss der Kanton konsequenterweise deren Schliessung verfügen, um ihnen wenigstens ein Anrecht auf Versicherungsleistungen zu verschaffen. Sie sich selbst zu überlassen und so langsam auszubluten, wie das momentan getan wird, ist schlichtweg verantwortungslos. Denn kosten wird es sowieso. Jetzt entscheiden wir, ob wir das über die Arbeitslosenkasse machen und die Menschen ausliefern, oder ob wir alles daran setzen, durch gezielte Überbrückungsleistungen wie Ertragsausfallentschädigung die Infrastruktur aufrecht zu erhalten, damit sie nach Eindämmung des Virus noch zur Verfügung steht.
Entscheidend dafür ist einerseits die Weiterführung der Kurzarbeit für Angestellte und des Erwerbsersatzes für Selbständigerwerbende. Andererseits braucht es aber auch dringendst eine Lösung bei den Mietkosten. Die kantonalen Betriebe sind hier bereits kulant und sollen das auch weiterhin sein. Das hilft jedoch längst nicht allen Betroffenen. Deshalb braucht es endlich eine nationale Lösung, wie sie diese Woche im Nationalrat behandelt wird. Den vorliegenden Kompromissvorschlag abzulehnen wäre ein Schlag ins Gesicht aller in der Gastronomie und dem Nachtleben beschäftigter Menschen – und das sichere Todesurteil für besonders unter Druck stehende Betriebe.
Betriebs- und Kultursterben verhindern
Bleiben Bund und Kanton untätig, droht ein massenhaftes Betriebs- und Kultursterben inklusive der zugehörigen Arbeitsplätze – und zwar unabhängig davon, ob es einen zweiten Lockdown gibt oder nicht. Dieses Schreckensszenario in Kauf zu nehmen, nur um nicht für die nötigen wirtschaftlichen Abfederungsmassnahmen aufkommen zu müssen, ist nur nur hochgradig zynisch, sondern auch ein gravierender Rechenfehler: die bestehenden Betriebe, Arbeitsplätze und Kulturlandschaft zu schützen, kostet nicht mal annähernd so viel, wie sie neu aufbauen zu müssen – vom damit verbunden menschlichen Leid ganz abgesehen.
Die SP wird sich deshalb auch auf parlamentarischem Weg für die nötigen Massnahmen und Gelder einsetzen. Angesichts der zweiten Welle ist nun entschiedenes Handeln gefragt. Dass Bund, Kanton und Gemeinden das können, haben sie bei der Bekämpfung der ersten Welle gezeigt. Nach Monaten des Kompetenzgerangels und Verantwortungsgeschiebes ist es höchste Zeit, dass sie sich wieder zusammenraufen und handeln.