Diese Frühjahressession haben wir nicht nur abgestimmt, sondern auch gewählt. Jetzt, zum Ende dieser intensiven drei Wochen, berichten wir euch von unseren Aufregern – und können sogar von einigen guten Neuigkeiten berichten.
Erstaunliche Wahl des integrativeren Kandidaten
von Mattea Meyer
Bundesratswahlen bedeuten immer viel Aufregung im Bundeshaus. Zur Überraschung vieler war schon nach dem ersten Wahlgang (absolutes Mehr: 123) sehr wahrscheinlich, dass der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (122 Stimmen) das Rennen gegen Mitte-Nationalrat Markus Ritter machen wird. Klar ist: Der Bundesrat ist mit dieser Wahl nicht nach links gerutscht. Und doch hat sich das Parlament für den integrativeren Kandidaten entschieden. Und gegen jenen, der in Zeiten von Trump und Putin die Macht des Stärkeren verkörpert. Angesichts der weltpolitischen Lage erwarte ich von Pfister, dass er dazu beiträgt, dass der Bundesrat endlich Haltung zeigt, anstatt sich wegzuducken. Die Anbiederung gegenüber der Grossmacht USA, welche sich unter Trump gegen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit stellt, muss ein Ende haben (ich habe das auch im Parlament im Namen der SP gefordert).
Und als neuer Verteidigungsminister übernimmt er ein Departement, in dem seit Jahrzehnten Misswirtschaft betrieben wurde. Dieses Chaos muss jetzt aufgeräumt werden. Dazu braucht es einen klaren Stopp, bei dem analysiert wird, was schiefgelaufen ist und wie diese Geldverschleuderung künftig verhindert wird.
Schweiz muss enger zu Europa rücken
von Fabian Molina
Europa befindet sich an einem Wendepunkt der Nachkriegsgeschichte. Der Verrat der Trump-Regierung an der von Russland angegriffenen Ukraine und der angekündigte Rückzug aus der europäischen Sicherheitsverantwortung lassen Europa in einer komplett neuen Situation zurück. Für uns ist klar: Die Schweiz muss die Ukraine jetzt zusammen mit Europa noch stärker unterstützen, sie muss enger zu Europa rücken und sich an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik beteiligen sowie die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren. In diesem Sinne haben wir uns in der Session eingebracht:
In der ersten Sessionswoche gab der Nationalrat eine Erklärung zu Gunsten einer aktiven Rolle der Schweiz für eine eigenständige europäische Sicherheitspolitik ab, die ich eingebracht habe und Mattea im Namen der SP unterstützte.
Leider abgelehnt wurde ein Vorstoss von mir, der eine stärkere Unterstützung der Ukraine bei der humanitären Hilfe verlangte (zum Votum).
In aller Munde ist auch der F-35 wieder. Wir waren immer der Meinung, dass dieser Kampfjet nicht nur viel zu teuer und zu überdimensioniert für die Schweiz ist, sondern auch eine ungesunde Abhängigkeit von den USA schafft. Diese Erkenntnis setzt sich langsam auch bei den Bürgerlichen durch. Ob sich am Kauf noch was ändern lässt, wird sich zeigen.
Initiative für eine Zukunft
von Céline Widmer
Die «Initiative für eine Zukunft» der Juso möchte eine Erbschaftssteuer für sehr grosse Erbschaften (Freibetrag 50 Millionen!) einführen, um mit den Einnahmen den Kampf gegen die Klimakrise zu finanzieren. Ausser am rechten Rand ist es wohl unbestritten, dass die Bekämpfung der Klimakrise eine der wichtigsten und dringendsten politischen Aufgaben ist. Und dass dies nicht gratis ist, sondern grosse Investitionen nötig macht, ist auch klar.
Jacqueline und Anna halten den apokalyptischen Behauptungen der Gegner:innen entgegen: «nicht die Initiative ist extrem, sondern die krasse Vermögenskonzentration.» Diese nimmt laufend zu – gerade wegen sehr hohen Erbschaften. Deshalb begrüssen auch Ökonom:innen eine Erbschaftssteuer. Trotzdem hat der Nationalrat sich dieser Diskussion komplett verweigert. Wir haben Vorschläge für sehr, sehr moderate Gegenvorschläge gemacht (siehe Votum von mir), doch die bürgerliche Mehrheit ist partout nicht bereit, für mehr Vermögensgerechtigkeit zu sorgen und die Klimakrise zu bekämpfen. Das ist beschämend. Fabian sagt zu Recht: «Die Initiative für eine Zukunft ist ein Projekt gegen die Resignation und für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.»
Historischer PUK-Bericht
von Céline Widmer
Seit dem Kollaps der CS ist die UBS die einzige global systemrelevante Schweizer Bank. Die UBS trägt die Schweiz im Namen, das «S» in UBS steht für viel: Für Verlässlichkeit, Stabilität, Tradition. Gleichzeitig übernimmt die Gesellschaft ein enormes Risiko mit einer solchen Bank, die der Staat im Notfall rettet. Davon, dass die UBS eine Bank für die Schweiz sein müsste, spürt man leider im Moment wenig. Stattdessen erneut unermessliche Boni für das Management und ein enormer Druck gegen eine griffige Bankenregulierung.
Der PUK-Bericht zur CS-Krise, den wir in der Frühlingssession beraten haben, zeigt klar, dass die enge Verflechtung zwischen bürgerlichen Politiker:innen und der Finanzindustrie mit zum CS-Debakel geführt hat (die wichtigsten Stellen habe ich in meinem Votum zum PUK-Bericht zitiert). Die SP-Fraktion hat in einem Aktionsplan aufgezeigt, was es jetzt braucht, um die Schweiz besser vor einer nächsten Bankenkrise zu schützen. Die Politik darf sich jetzt keinesfalls von der UBS einschüchtern lassen. Bezeichnend ist: Das Parlament hat unsere Motionen abgelehnt, die einen Zahlungsstopp der UBS an politische Parteien fordern. Die UBS kann also weiterhin mit hohen Spendensummen die bürgerlichen Parteien von GLP bis SVP direkt beeinflussen (2023 waren es 675’000 Franken gemäss der öffentlichen Liste der Finanzkontrolle).
Angriff auf den Zivildienst
von Priska Seiler Graf
Eine überflüssige Revision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz beschäftigt uns ebenfalls. Es wird mit dieser Vorlage suggeriert, die Bestände des Zivilschutzes damit sichern zu können. Neu sollen nämlich Zivildienstleistende verpflichtet werden, Einsätze im Zivilschutz zu leisten, wegen angeblich fehlender Alimentierung der ZS-Bestände. Während in Katastrophen und Notlagen heute schon eine gute Zusammenarbeit von Zivildienst und Zivilschutz möglich ist und auch erfolgreich praktiziert wird, bringt diese Revision einzig die Neuerung, dass Zivis dazu zu verpflichtet werden können, ihre Einsätze in Wiederholungskursen des Zivilschutzes zu leisten. Somit gehen produktive Diensttage zugunsten der Gesellschaft verloren, nämlich die Betretung in Spitälern, Heimen und Schulen oder die Arbeit im Umwelt- und Naturschutz
Für eine bessere Zusammenarbeit und Zivildienst und Zivilschutz müssen wir das Gesetz also gar nicht ändern. Es geht vermutlich auch um etwas anderes, was ich in meinem Votum auch betone: Diese Vorlage ist die erste in einem ganzen Reigen von schier unerschöpflichen Ideen, wie der Zivildienst geschwächt werden könnte. Schwächen tut man damit aber nicht den Zivildienst, sondern die Einsatzbetreibe. Oder anders gesagt: Man schlägt den Sack und meint den Esel. Der Vorlage wird leider zugestimmt.
Behindertenrechte werden gestärkt
von Islam Alijaj
Die Frühlingssession war nicht nur wegen der Bundesratswahl und der sicherheitspolitischen Situation intensiv, sondern auch aus behindertenpolitischer Sicht. Es wurde gleich über mehrere Geschäfte entschieden, die wichtige Folgen für Menschen mit Behinderungen und ihrem selbstbestimmten Leben haben.
Erfreulich ist, dass zwei Motionen der Gesundheitskommission des Nationalrats im Erstrat angenommen wurden. Die erste Motion fordert eine Gesetzesänderung zur Neubeurteilung von IV-Leistungsentscheiden bei den von der EKQMB festgestellten gravierenden Mängeln bei der Begutachtung. Die zweite Motion setzt sich für Gesetzesänderung bezüglich der Integration von Menschen mit Behinderungen im 1. Arbeitsmarkt ein und will bei Härtefällen am Arbeitsplatz besser unterstützen und die nötigen Egalisierungsmassnahmen bereitstellen. Nun werden wir uns dafür einsetzen, dass die beiden Motionen auch im Ständerat angenommen werden.
Die Motion der Gesundheitskommission des Ständerats, die eine 13. IV-Rente für Beziehende von Ergänzungsleistungen forderte, wurde im Ständerat vor allem wegen den Mitte-Mitgliedern leider abgelehnt. Dabei geht es darum, dass Menschen mit einer IV-Rente die gleiche Anpassung erhalten sollen wie AHV-Rentner*innen, die von einer 13. AHV-Rente profitieren. Glücklicherweise sind jedoch noch weitere Vorstösse hängig, die dieses Anliegen weiterverfolgen.
Wir bleiben auf jeden Fall dran und die Behindertenrevolution geht weiter.
Medienförderung: Sinnvolle Überlebenshilfe, aber leider ohne Zukunftsperspektive
von Min Li Marti
Die Medien sind unter Druck, insbesondere die Lokalpresse. Um sie zu unterstützen, verlangt eine parlamentarische Initiative von Christine Bulliard-Marbach (Mitte), eine Erhöhung der indirekten Presseförderung. Die SP unterstützt dieses Anliegen. Insbesondere die aktuell düstere geopolitische Lage zeigt, wie wichtig verlässliche und gute Informationen sind (siehe auch mein Votum). Für uns war aber immer klar: Die indirekte Presseförderung ist ein Auslaufmodell. Es braucht eine kanalunabhängige Journalismusförderung, die alle Medien fördert, egal ob gedruckte Zeitung, Online-Medium, TV oder Radiostation. Leider hat der Ständerat die Motion für eine kanalunabhängige Förderung abgelehnt. Wir werden aber hier auf jeden Fall dranbleiben.
Für die Konzerne statt für die Konsument:innen
Bei sogenannten Massenschäden wie beispielsweise beim VW-Abgas-Skandal sind Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz ungenügend geschützt. Eine Motion von SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo wollte dies ändern und forderte die Einführung eines kollektiven Rechtsschutzes. Vor über zehn Jahren wurde sie überwiesen. Von Anfang an – das zeigte sich auch bei der Vernehmlassung – gab es einen erbitterten Widerstand von Teilen der Wirtschaft. Im Kern der Vorlage steht die Frage, ob man sich auf die Seite der Konsument:innen stellen will oder auf jene der Konzerne. Die Mehrheit des Nationalrats hat sich für letztere entschieden. Mithilfe der Wirtschaftsverbände wurde ein faktenfernes Schreckgespenst einer Amerikanisierung aufgebaut. Dies entspricht aber nicht der moderaten Vorlage des Bundesrats. Leider ist zu befürchten, dass auch der Ständerat nicht eintreten wird. Damit wäre der kollektiver Rechtsschutz vom Tisch. (Votum Min Li Marti)
Stalking auf dem Weg zum Straftatbestand
von Anna Rosenwasser
Der Nationalrat hält daran fest, dass Stalking in Paarbeziehungen und bis ein Jahr nach der Trennung von Amtes wegen verfolgt werden soll – Ständerat und Bundesrat wollten diese Verfolgung nur auf Antrag. Künftig reicht es zudem aus, wenn eine Verhaltensweise geeignet ist, die Lebensgestaltungsfreiheit erheblich einzuschränken. Das heisst, dass das Opfer das nicht mehr konkret nachweisen muss. Das sind erfreuliche Fortschritte; wir sind auf gutem Weg, Stalking als eigenen Straftatbestand einzuführen.
Ihr seht, es war ein Auf und Ab diese Session. Mittlerweile haben wir uns wieder in den Zug von Bern nach Zürich gesetzt, im Wissen, dass wir uns weiter einsetzen für eine soziale Schweiz. Danke, dass wir euch vertreten dürfen!