Sich schütteln, die Niederlage wegstecken…

In einer aus meiner Sicht recht gehaltvollen Debatte wurden am Montag im Kantonsrat Argumente für und wider konstruktives Referendum ausgetauscht. Ein Anzeichen für eine Diskussion, in der differenziert argumentiert wird, ist oft, wenn mehrere Fraktionen Minderheiten mit anderen Meinungen haben. Das war am Montag der Fall: Für einen Teil der SP-Fraktion hat das konstruktive Referendum derart viele Nachteile, dass es lieber heute als morgen abgeschafft werden müsste. Die Mehrheit wiederum denkt, die Mängel würden im Lauf der Zeit teilweise von selbst geheilt und man müsse noch mehr Erfahrungen

Weniger bei der SP, aber bei den anderen Fraktionen, wurde auch von der Überforderung der Stimmenden gesprochen (sie sagen natürlich gendermässig nicht korrekt: Stimmbürger). Mehrfachabstimmungen mit mehreren Stichfragen seien zu kompliziert, viele stünden da wie der Esel am Berg. Die direkte Demokratie müsse einfach bleiben, das Parlament (und hier sind in der SP wieder viele gleicher Meinung) habe auch eine Verantwortung und eine Aufgabe zu erledigen. Dieser Job wäre das Schmieden von Kompromissen.

Da drängen sich zwei Gedankengänge auf:

Erstens sind wir es gewohnt, in einem hohen Rhythmus Abstimmungen hinter uns zu bringen: sechs bis zehn Wochen Abstimmungskampf, Endspurt, Abstimmungssonntag mit Glückgefühlen oder Ärger, Medienberichterstattung am Montag und fertig! Denn das nächste Abstimmungswochenende steht schon wieder vor der Tür.
Diesem hohen Rhythmus können längst nicht alle folgen. Ich habe dies bei einer Abstimmung zu einer Bürgerrechtsfrage (ich weiss nicht mehr welche) erlebt, als wir mit den Dietiker Ableger damaligen Democatici di Sinistra, der damaligen Linkspartei Italiens, gemeinsame Sache machten. Wir haben die Abstimmung verloren. Spätestens am Dienstag «danach» hatten wir uns geschüttelt, die Niederlage weggsteckt und ein neues Ziel ins Auge gefasst, während unsere italienischen Freunde noch Wochen an der Niederlage kauten. Dieser hohe Rhythmus in Bund, Kanton und Gemeinden muss durch Training erlernt werden. Komplizierte Abstimmungsverfahren bedeuten, dass die Erholungszeiten wohl noch grösser werden.

Zweitens ist es für die Mehrheit im Kantonsrat einfacher, zu verlangen, dass das Parlament eben seinen Job erledigen und mehrheitsfähige Lösungen finden müsse. Denn diese Lösungen sind bei uns normalerweise bürgerliche Lösungen. Hier bietet das konstruktive Referendum ein Ventil. Wer es als Linke/r gut findet, tut dies nicht nur aus grundsätzlichen Überlegungen, sondern auch, weil wir uns in der Volksabstimmung bessere Chancen ausrechnen.

So bleibt die spannende Frage, wer dem Volk erklärt (und wie), dass es auf ein Volksrecht verzichten müsse. Immerhin in diesem Punkt haben wir es dereinst argumentativ einfacher.

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