Was für eine Session! In den letzten 3 Wochen hat das Parlament wieder unzählige Entscheidungen getroffen – gewisse in unserem Sinne, andere ganz und gar nicht in unserem Sinne. Die Zürcher Delegation hat mit allen Mitteln versucht, sich für die Sozialdemokratie einzusetzen. Hier berichten wir euch von unseren High- und Lowlights der Herbstsession 2025.
Nein zur rechtpopulistischen Abschottung!
Von Céline Widmer
Die 10-Millionen-Schweiz-Initiative der SVP ist brandgefährlich. Sie zerstört das Erfolgsmodell Schweiz. Sie will unser Asylsystem zerstören und unsere Beziehungen zu Europa ein für alle Mal zerschmettern. Es ist ein Angriff auf unsere offene, vielfältige Gesellschaft, wie ich in meinem Votum klar gemacht habe.
Die Zuwanderung ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Gerade weil mein Zuhause das vielfältige Langstrassenquartier ist, bin ich überzeugt, dass die SVP-Initiative nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht eine Katastrophe wäre. Es ist ein Abschottungsexperiment und steht in einer historischen Linie mit der Schwarzenbach-Initiative und einem fremdenfeindlichen Diskurs. Auch Anna hat in ihrem Votum gezeigt, dass die Erzählung der Überbevölkerung eine hässliche Geschichte hat und Rassismus reproduziert. Die SVP behauptet, die Wohnungsnot liesse sich durch die Begrenzung der Zuwanderung lösen; die Kinder würden in der Schule besser unterrichtet, wenn es weniger Zuwanderung gäbe; es hätte im Tram mehr Platz und es ginge der Umwelt besser, wenn es weniger Zuwanderung gäbe. Mit diesen vorgeschobenen, fadenscheinigen Argumenten will die SVP davon ablenken, dass es ihnen nie wirklich um diese Herausforderungen geht. Die SVP ist konsequent gegen preisgünstigen Wohnraum, gegen den Ausbau der ÖV-Infrastruktur, gegen mehr Ressourcen für die Schule, und zu 100 Prozent gegen jegliche Vorlage zum Schutz der Umwelt.
Wir sind erleichtert, dass der Nationalrat die Initiative ohne Gegenvorschlag klar abgelehnt hat. Mattea hat versprochen, dass wir mit Kraft dafür kämpfen werden, dass dieses gefährliche Experiment an der Urne versenkt wird.
Die Pelzindustrie muss sich warm anziehen
Von Anna Rosenwasser
Die Forderung der «Pelzinitiative» fand in der Schweizer Bevölkerung deutlichen Anklang: «Ja zum Importverbot für tierquälerisch erzeugte Pelzprodukte» wurde mit 113’474 beglaubigten Unterschriften eingereicht. Während die Initiative dieses Verbot auf der Verfassungsebene regeln will, bezieht sich der Gegenvorschlag auf die Gesetzesebene – und wird mit dem Einbezug vom Handel sogar noch konsequenter. In der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur haben wir diesen Gegenvorschlag in Absprache mit den Initiant*innen so optimiert, dass sie in Aussicht gestellt haben, ihre Initiative zurückzuziehen. Während der Herbstsession konnten wir als vorerst letzten Schritt die FDP-Idee abwenden, dass die entsprechende Zertifizierung aus der Pelzindustrie selbst kommt. Ein wichtiger linker Erfolg, entgegen der intensiven Lobbyarbeit der Pelzindustrie! Nun muss die Vorlage noch durch den Ständerat.
Mehr Sicherheit, aber nicht um jeden Preis
Von Priska Seiler Graf
Das Schengen Informationssystem SIS ist wieder einmal Thema in dieser Session. Eine neue EU-Verordnung sieht vor, dass Europol Informationen betreffend Drittstaatsangehörige, die der Beteiligung an terroristischen oder sonstigen schweren Straftaten verdächtigt werden, ans SIS übermitteln kann, damit das SIS eine Ausschreibung vornehmen kann. Es handelt sich hierbei explizit um sehr schwere Straftatbestände wie zum Beispiel Terrorismus, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, also keine Bagatelldelikte. Da Kriminalität heute vor allem global stattfindet, braucht es diese Möglichkeit unbedingt, sonst ist die Polizei blind. Der Vorlage wird dann auch sehr deutlich zugestimmt, nur vereinzelte SVP-Leute stimmen dagegen (offenbar weil alles, wo irgendwo EU draufsteht, böse ist…). Hier gehts zur Debatte.
Zu diskutieren gaben auch zwei Motionen aus dem Ständerat. Unsere Kolleg:innen aus der kleinen Kammer wollen, dass zur Bekämpfung des Hooliganismus sofort personalisierte Tickets eingeführt werden. Ich persönlich bin durchaus dafür zu haben, der Polizei mehr Mittel und Möglichkeiten zu geben, wenn sie sinnvoll sind. Diese Massnahme aber schiesst weit übers Ziel hinaus und ist nicht verhältnismässig. Sie würde alle Matchbesucher:innen treffen und wäre auch aufwändig in der Umsetzung. Das sieht auch die Mehrheit des Nationalrates so, mit Stimmen aus jeder Partei. Die beiden Motionen werden abgelehnt.
Politische Rechte für Menschen mit Behinderungen
Von Islam Alijaj
Nach dem Nationalrat hat nun auch der Ständerat zugestimmt: Alle stimmberechtigten Menschen ab 18 sollen ihre politischen Rechte wahrnehmen können – ohne Einschränkung. Damit fällt eine jahrzehntelange Diskriminierung, die gerade Menschen mit Behinderungen von demokratischer Teilhabe ausgeschlossen hat. Dieser Entscheid ist ein historischer Schritt für mehr Gleichberechtigung und Inklusion – und ein Erfolg für unsere Bewegung, die seit langem für echte politische Teilhabe kämpft.
Existenzsicherung mit IV-Rente
Von Islam Alijaj
Das Parlament hat ein Postulat angenommen, das die finanzielle Situation von Menschen mit IV-Rente verbessern soll. Endlich wird geprüft, wie Betroffene besser vor Armut und sozialer Ausgrenzung geschützt werden können. Für uns als SP ist klar: Die IV muss Menschen ein Leben in Würde ermöglichen – sie darf nicht in die Armutsfalle führen. Der Entscheid ist ein starkes Zeichen gegen Ungleichheit und für mehr soziale Sicherheit.
Abbau bei der Hinterlassenen-Rente: ohne uns!
Von Mattea Meyer
Wenn der Partner oder die Partnerin stirbt, ist das ein schmerzhafter Schicksalsschlag. Die Hinterlassenen-Leistung für Ehepaare ist deshalb eine unverzichtbare Stütze. Das bisherige Gesetz hat Witwen und Witwer jedoch ungleich behandelt. Nach einem Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte muss die Schweiz diese Ungleichbehandlung aufheben. Der Bundesrat und das Parlament haben dieses gleichstellungspolitisch berechtigte Anliegen nach geschlechts- und zivilstandsunabhängigen Hinterlassenen-Renten aber in ihr Gegenteil verkehrt und daraus eine Abbau-Reform auf Kosten der Frauen gemacht. Wer Care-Arbeit leistet und deshalb das Erwerbspensum reduziert, ist in Zukunft beim Verlust des Partners oder der Partnerin nicht mehr abgesichert und kriegt keine Hinterlassenenrente mehr, wenn das jüngste Kind über 25 Jahre alt ist. Zusätzlich verlieren auch aktuelle kinderlose Witwen ihre bisherige Rente. Damit nicht genug: Die Kinderrente von Kindern mit pensionierten Eltern wird ganz abgeschafft und der Verwitwetenzuschlag ebenso. Gleichzeitig sollen zukünftig Ehepaare eine doppelte Rente erhalten – auch die, die es nicht brauchen. Kurz gesagt: Verwitwete, Kinder sowie Menschen, die Betreuungsarbeit leisten, sollen weniger erhalten – Ehepaare mit guten Einkommen mehr. Als nächstes ist der Ständerat an der Reihe – wir werden uns gegen diesen Abbau wehren.
Schwerste Verbrechen Israels im Gazastreifen
Von Fabian Molina
Die anhaltende humanitäre Katastrophe im Gazastreifen hat uns auch in dieser Session beschäftigt. Gemeinsam mit den Grünen haben wir eine ausserordentliche Debatte dazu einberufen und vom Bundesrat verlangt, dass er sich endlich durch Taten statt nur Worte für ein Ende Hungerblockade und einen Waffenstillstand in Gaza einsetzt, etwa in dem er jegliche Rüstungskooperation mit Israel einstellt und die Schweiz sich den EU-Sanktionen gegen israelische Siedler anschliesst. Während meines Votums habe ich die Mitglieder des Nationalrats dazu eingeladen, allen Opfern des schrecklichen Konflikts im Nahen Osten zu gedenken, was die Ratsleitung leider ablehnte. Auch abgelehnt hat die bürgerliche Mehrheit fast alle unsere Forderungen dazu. Einzig der Auftrag an den Bundesrat, sich aktiver für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu engagieren und sich für die Freilassung der israelischen Geiseln und aller palästinensischer politischer Gefangenen einzusetzen, fand eine Mehrheit. Wir bleiben weiterhin überzeugt, dass die Schweiz viel mehr tun kann und muss, um die Situation der Menschen im Gazastreifen zu verbessern und die begangen schweren Verbrechen zu stoppen. Wir bleiben dran.
Kinderrechte: Daten fehlen, Erhebungen sind nötig
Von Anna Rosenwasser
Die Schweiz hat die Kinderrechtskonvention der UNO mitunterzeichnet. Gleichzeitig fehlt uns eine einheitliche Erhebung der Daten, was den Zustand der Kinderrechte angeht. Weil Kantone in unterscheidlicher Weise Daten erheben, ist es schwierig, gezielte Massnahmen zu beschliessen – geschweige denn zu evaluieren. Die Motion «Datenlage zur Umsetzung der Kinderrechte verbessern» von Stefan Müller-Altermatt (Mitte) fordert deshalb eine nationale Datenlage. Der Ständerat wollte die Motion in ein Postulat umwandeln – was absurd ist, denn: Wir wissen, dass diese Daten fehlen; entsprechende Prüfaufträge wurden bereits durchgeführt.
Der Nationalrat hat nun zumindest festgehalten, dass die Motion eine Motion bleibt. Das Geschäft geht nochmals zurück in den Ständerat.
Für eine Stärkung der Medien, gegen eine Schwächung der SRG
Von Min Li Marti
2022 wurde über das sogenannte Medienpaket abgestimmt. Die SP hat dieses damals überzeugt unterstützt, die Vorlage wurde aber von der Bevölkerung abgelehnt. Der Grund: Auch grosse Verlagshäuser hätten von einer Förderung profitiert. In diesem Medienpaket gab es aber viele Elemente, die weitgehend unbestritten waren. Darunter gehörte die Unterstützung der Aus- und Weiterbildung der Journalist:innen, die Unterstützung von Nachrichtenagenturen oder vom Presserat. In der heutigen Medienkrise ist diese Unterstützung der Medieninfrastruktur sinnvoll und notwendig, wie ich in meinem Votum ausgeführt habe. Etwas umstrittener war eine zusätzliche Förderung der lokalen Radio- und TV-Sender: Denn diese geht auf Kosten der SRG, die bereits wegen Röstis Gebührensenkung sparen muss. Für die lokalen Radio- und Fernsehsendern, darunter auch die alternativen Radios sind diese Mittel aber dringend benötigt. In dieser Session haben wir auch die Schlussabstimmung zur sogenannten Halbierungsinitiative durchgeführt. Diese will die Gebühren für die SRG halbieren und würde zum totalen Kahlschlag führen. Wir lehnen sie mit Überzeugung ab und werden uns aktiv im Abstimmungskampf einsetzen.
Besserer Schutz vor KI-Missbrauch
Von Islam Alijaj
Der Nationalrat hat beschlossen, dass urheberrechtlich geschützte Werke auch im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz wirksam geschützt bleiben. Dieses Signal ist entscheidend: Eine gute Lösung braucht beides – den Schutz der Kunstschaffenden und Raum für Innovation. Gerade für den Innovationsstandort Zürich ist es wichtig, dass technologische Entwicklung und kulturelle Vielfalt Hand in Hand gehen.
Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich mit der EU
Von Fabian Molina
Die geopolitische Lage hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Während Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit aller Härte fortführt und auch die Demokratien weiterer Staaten in Europa durch hybride Angriffe zu destabilisieren versucht, haben sich die USA unter Trump von Europa abgewandt und sind kein verlässlicher Partner mehr. Umso wichtiger wird die Zusammenarbeit innerhalb Europas für Frieden und Sicherheit. Als neutrales Land und Nicht-Mitglied der EU steht die Schweiz hier weitgehend Abseits. Der Nationalrat ist nun unserem Antrag gefolgt und will den Bundesrat beauftragen, ein Abkommen mit der EU für Sicherheit und Verteidigung abzuschliessen. Damit hätte die Schweiz nicht nur die Möglichkeit gemeinsam, günstiger Rüstungsgüter in Europa zu beschaffen, sondern auch die Zusammenarbeit in zivilen Bereichen, wie beim Schutz vor hybriden Angriffen, Weltraumrisiken, Katastrophen oder bei der Friedensförderung zu verstärken, wie ich in meinem Votum erklärte.
Das war’s von euren Vertreter*innen aus dem Kanton Zürich – wir versprechen, dranzubleiben, wünschen euch ein schönes Wochenende und uns ein gutes Sessionsende!
Solidarische Grüsse,
Die Bundeshausdelegation der SP Zürich
Islam Alijaj, Jacqueline Badran, Daniel Jositsch, Min Li Marti, Mattea Meyer, Fabian Molina, Anna Rosenwasser, Priska Seiler Graf, Céline Widmer