Es waren bewegende Tage letzte Woche im Bundeshaus: Mit dem Ende der letzten Session der aktuellen Legislatur mussten wir uns im National- und Ständerat von einigen Kolleg:innen der Fraktion verabschieden, da sie nicht mehr zu den Wahlen antreten. Besonders nahe geht uns natürlich der Abschied von Angelo Barrile. Angelo hat sich mit riesigem Engagement und grösster Glaubwürdigkeit für die Chancengleichheit aller Mitglieder unserer Gesellschaft eingesetzt. Seine politische Arbeit für Gleichberechtigung, Toleranz und Antidiskriminierung hat deutliche Spuren hinterlassen.
Dazu gehört auch, dass künftig Schweizer:innen ihre Familienangehörigen aus Drittstaaten nachziehen können sollen, was heute nicht möglich ist und mehrmals vom Bundesgericht kritisiert wurde. Eigentlich hätte in der Herbstsession diese Gesetzesänderung abgeschlossen werden sollen, doch wegen bürgerlichen Taktierereien kurz vor den Wahlen wurde das Geschäft verschoben. Wir werden dieses Anliegen hoffentlich in der Wintersession verabschieden und wünschen Angelo Barrile von ganzem Herzen alles Gute für die Zukunft!
Bürgerliche ignorieren die Sorgen der Menschen
Auch 2024 werden die Krankenkassen-Prämien explodieren: Sie steigen im Schnitt um 8.7 Prozent an, im Kanton Zürich um 8.3 Prozent. Eine vierköpfige Familie zahlt monatlich über 1000 Franken für Prämien. Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen leiden – und die bürgerliche Mehrheit schaut zu. Das Parlament hätte es in der Hand gehabt, der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP zuzustimmen oder wenigstens einen substanziellen Gegenvorschlag auszuarbeiten, wie Mattea Meyer ausführte.
Passiert ist weder das eine noch das andere. Stattdessen haben SVP, FDP und Mitte einen völlig ungenügenden Vorschlag verabschiedet. Der Zustupf von 350 Millionen Franken ist angesichts des Prämienanstiegs von weit über 2.5 Milliarden Franken nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Kantone müssen endlich verpflichtet werden, die Menschen zu entlasten. Genau das fordert unsere Prämien-Entlastungs-Initiative, welche nächstes Jahr zur Abstimmung kommt.
Wer Strassen säht…
Im Juni stimmte die Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung ja zum Klimaschutzgesetz und legte damit auch ein Bekenntnis ab zum Netto-Null-Ziel bis 2050, wie es das Pariser Klimaabkommen vorsieht. Doch wenn es um Strassen und Autos geht, dann zählt dieses Ziel für das Parlament offensichtlich nichts mehr. So hat der Nationalrat einer Motion von Erich Hess (SVP) zugestimmt, die Autobahn A1 auf «mindestens sechs Spuren auszubauen». Und das Parlament stimmt für ein Paket von 5,3 Milliarden Franken zum Ausbau der Autobahnen.
Dabei ist verkehrswissenschaftlich bewiesen: Mehr Kapazität führt zu mehr Verkehr. Wer Strassen säht, wird Verkehr ernten. Gegen diesen Entscheid ergreifen SP und Umweltverbände das Referendum. Anstatt den motorisierten Individualverkehr zu fördern, soll in den Klimaschutz und in den öffentlichen Verkehr investiert werden. Die Unterschriftensammlung startet voraussichtlich noch im Oktober.
Und noch zwei Referenden: Gegen die perfide Aushöhlung des Mietrechts
Jacqueline Badran hat in der von uns verlangten ausserordentlichen Session zum Thema Wohnen und mieten aufgezeigt, wie dramatisch die Situation der Mietentwicklung ist. Rund 10 Milliarden Franken bezahlen die Mietenden jedes Jahr zu viel. Das sind 370 Franken pro Haushalt und Monat! Die Mieten sind folglich der Kaufkraftkiller Nummer eins.
Doch was macht die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern? Die Immobilien-Lobby im Parlament hat zwei Vorlagen durchgedrückt, welche die Mieter:innen nochmals deutlich schlechter stellt. Mit den beiden Gesetzesänderungen soll es einfacher werden, Mieter:innen zu künden und sie aus ihrem Zuhause zu werfen. Leider reden die Medien die Gesetzesänderung teilweise klein. Dabei wäre es so wichtig zu zeigen, dass es der Immobilen-Lobby um höhere Renditen auf Kosten der Mieter:innen geht.
Obwohl beide Vorlagen das gleiche Gesetz betreffen, hat Mitte-Rechts die staatspolitische Unverschämtheit, die Aushöhlung des Mietrechts in zwei unterschiedliche Vorlagen zu giessen. Deshalb braucht es jetzt gleich zwei Referenden. Mitte-Rechts hat in der Herbstsession auch für mehr Ausverkauf unserer Immobilien im Berggebiet und für den Ausbau von Zweitwohnungen gestimmt. Dies im Widerspruch zur Verfassung und zu Lasten der einheimischen Bevölkerung. Dabei lag ein guter und gangbarer Kompromiss der SP auf dem Tisch.
Das Parlament lässt die Ukraine im Regen stehen
Armut und Hunger haben in den letzten Jahren weltweit wieder zugenommen. Und auf Grund von Krieg und Verfolgung sind so viele Menschen auf der Flucht, wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Trotzdem will der Bundesrat die allgemeinen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe in den nächsten vier Jahren um 1,5 Milliarden Franken kürzen und dieses Geld stattdessen für die humanitäre Hilfe in der Ukraine einsetzen. Damit würde zukünftig noch weniger Geld für die Arbeit im Globalen Süden zur Verfügung stehen – und trotzdem immer noch viel zu wenig Geld für die Ukraine, die auf Grund des russischen Angriffskrieges einen enormen Bedarf an Hilfe hat.
Die SP fordert deshalb, dass die Mittel für die Ukraine aufgestockt und über einen separaten Topf ausserordentlich finanziert werden – so wie es andere europäische Länder tun, die viel grosszügiger sind als die Schweiz. Der Nationalrat hat es in der Session auf Antrag der Mitte aber abgelehnt, nur schon über das Thema zu diskutieren. Die Leidtragenden dieses Entscheides sind die Menschen in der Ukraine. Obwohl Mitte und FDP bei jeder Gelegenheit ihre Solidarität mit der Ukraine betonen, lassen sie keine Taten folgen. Fabian Molina hat diese Heuchelei im Nationalrat zu Recht harsch kritisiert.
Kriegsmaterialgesetz vor und hinter der Kulisse
Der Ständerat hat eine Motion beraten, welche die Errungenschaft des Gegenvorschlags zur Korrektur-Initiative rückgängig machen würde. Zur Erinnerung: Mit diesem Gegenvorschlag wurde im Gesetz verankert, dass kein Kriegsmaterial an Staaten geliefert werden darf, welche die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen oder wo ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird. Mit der besagten Motion könnte der Bundesrat, basierend auf äusserst vagen Kriterien, von diesen Bedingungen abweichen.
Daniel Jositsch hat im Ständerat dargelegt, weshalb die SP-Fraktion diese Motion ablehnt: Es ist undemokratisch, die Errungenschaft der Korrektur-Initiative über eine Motion rückgängig zu machen. Die Motion würde der Ukraine nichts bringen, denn weiterhin wäre es der Schweiz völkerrechtlich nicht erlaubt, der Ukraine direkt Kriegsmaterial zu liefern. Die angestrebte Gesetzesänderung ist ein reines Geschenk an die Rüstungsindustrie, die dann z.B. wieder problemlos Kriegsmaterial an Katar liefern könnte. Der Ständerat hat der Motion trotz unserem Widerstand zugestimmt. Wir werden sie im Nationalrat erneut bekämpfen. Und wir gehen davon aus, dass die angestrebte Gesetzesänderung auch mittels Referendum bekämpft würde. Daher ist zu hoffen, dass insbesondere die Nationalrät:innen der Mitte zu ihrer früheren Haltung zurückfinden und die Motion ablehnen.
Hinter den Kulissen arbeitet eine Subkommission der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates unter dem Präsidium von Priska Seiler Graf daran, eine Lösung zu finden, damit Länder, die Kriegsmaterial aus der Schweiz gekauft haben, dieses der Ukraine liefern können. Das Kriegsmaterialgesetz soll darum in einem kleinen und klar definierten Bereich geöffnet werden, um der Ukraine helfen zu können. Für die SP-Nationalratsfraktion gibt es drei Bedingungen, die zwingend erfüllt sein müssen: Erstens darf das Land die Menschenrechte nicht systematisch verletzen. Zweitens darf keine Gefahr bestehen, dass die Waffen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Und drittens muss die UNO-Vollversammlung mit einer Zweidrittels-Mehrheit den Angriff als völkerrechtswidrig beurteilt haben. Die Subkommission hat die Arbeit noch nicht abgeschlossen. Wir hoffen aber, dass hier ein zielführender, akzeptabler Kompromiss gefunden wird!
Ein wichtiger Schritt für Gleichstellung in Parlamenten
Immerhin gab es einen gleichstellungspolitischen Lichtblick in der letzten Session dieser Legislatur: Künftig sollen Frauen nach der Geburt ihres Kindes ihr Parlamentsmandat wahrnehmen können, ohne den Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung zu verlieren.
Das Problem war folgendes: Wenn eine Parlamentarierin während des Mutterschaftsurlaubs auch nur an einer einzelnen Abstimmung im Rat, oder an einer kurzen Kommissionssitzung teilnahm, verlor sie ihren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung aus ihrer beruflichen Tätigkeit. Das Problem besteht auf allen Ebenen, ist aber auf kantonaler und kommunaler Ebene akzentuiert, weil es dort zum Verlust des Haupteinkommens führen kann, wie Céline Widmer als Kommissionsprecherin ausführte. Das hat zur äusserst stossenden Situation geführt, dass einer Parlamentarierin sogar abgeraten wurde, an einer Ratssitzung teilzunehmen.
Nun konnten wir das mit einer Anpassung des Erwerbsersatzgesetzes endlich beheben – sie gilt für alle Parlamente. Der Ständerat hat die Ausnahme an die Bedingung geknüpft, dass keine Stellvertretungsmöglichkeit besteht. Darauf hätte der Nationalrat vor allem aus Praktikabilitätsgründen gerne verzichtet, wir mussten uns aber am Schluss dem Ständerat anschliessen. Damit ist uns ein wichtiger Schritt für die Vereinbarkeit von Parlamentsmandat und Mutterschaft gelungen. Nicht ganz untypisch für diese Legislatur, in der das Parlament dank dem Frauenstreik und mit deutlich mehr Frauen gleichstellungspolitisch vorwärts gemacht hat (zum Beispiel beim Sexualstrafrecht oder bei der Ehe für alle).
Wir danken euch allen für eure grosse Unterstützung während der vergangenen Legislatur und freuen uns auf einen fulminanten Schlussspurt im Wahlkampf zusammen mit euch für eine soziale Schweiz!